Der bunte Cao Dai Tempel und seine Symbole
Die wiederkehrenden Farben des Tempels rot, gelb und blau stehen für Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus. Hinter einem blauen Vorhang verbergen sich die Bildnisse der göttlichen Agenten Laotse, Konfuzius, Buddha und Jesus. Über einer imposanten Weltkugel wacht ein allsehendes Auge – das Symbol für Cao Dai, das höchste aller Wesen.
Die Grundideen der Lehre des Caodaismus
Beschäftigt man sich mit dem Caodaismus, so stolpert man automatisch über die Begriffe Sekte und Glaubensrichtung. Eine klare Unterscheidung existiert hier nicht. Im Deutschen wird das Wort Sekte oft in negativem Kontext verwendet. Während in der englischen Literatur das Wort sect werteneutral ist. Daher bevorzugen wir im folgenden Text die Verwendung des Begriffs Cao Dai Glaubensrichtung.
Ngo Van Chieu, dem Gründer des Caodaismus, erschien in einer Trance-Sitzung die Offenbarung des Gottes Cao Dai (wörtlich übersetzt „heiliger Stuhl“). Diese universelle Gottheit nimmt nach Meinung des Begründers die bisherigen Religionen in sich auf und erschafft damit die ideale Religion.
Die Glaubensrichtung vereint somit Elemente aller in Vietnam vertretenen Glaubensrichtungen: buddhistische, taoistische, konfuzianische, katholische und islamische Einflüsse. Auch die Ahnenverehrung findet in dieser Glaubensrichtung ihren Platz. Eigentümlich mutet an, dass neben vietnamesischen Helden wie Le Loi und Tran Hung Dao auch einige westliche Persönlichkeiten als Heilige verehrt werden wie zum Beispiel Jeanne d’Arc, Victor Hugo, William Shakespeare, Napoleon, Churchill, Isaac Newton und Luis Pasteur.
Gebote des Caodaismus
Die höchsten Maxime des Caodaismus sind der Respekt vor allen Religionen sowie die Lebenseinstellung das Allgemeinwohl über das eigene Wohl zu stellen.
Im Caodaismus existieren fünf Gebote, die helfen sollen, den Kreislauf der Wiedergeburt zu durchbrechen:
- Keine Gewaltanwendung
- Nicht stehlen
- Nicht lügen
- Keine sexuellen Ausschweifungen
- Nicht dem Luxus verfallen
Zudem ist es den Priestern der Religionsgemeinschaft nicht gestattet, tierische Produkte zu sich zu nehmen.
Rituale der Cao Dai Sekte
Die Rituale der Glaubensgemeinschaft sind an die Rituale des Buddhismus und des Taoismus angelehnt. Dabei spielen Meditation sowie Seancen eine wichtige Rolle. Die Gebetszeiten sind viermal am Tag und finden meist zu Hause statt. Doch die Gläubigen sind angehalten sich viermal pro Monat in einem Tempel zum Gebet einzufinden. Die Gottesdienste dauern in etwa eine halbe Stunde. Nach dem Einzug der Würdenträger betreten die Gläubigen den Tempel (Männer und Frauen getrennt). Vor dem Auge gehen die Gläubigen dreimal in die Knie, wobei das erste Mal dem allsehenden Auge – dem höchsten Wesen gewidmet ist, das zweite Mal der Erdkugel und anschließend der Menschheit.
Die Hierarchie ähnelt in einigen Punkten der Hierarchie der Katholischen Kirche, insgesamt gibt es neun Hierarchiestufen, wobei der Giáo Tông (Hán nôm: 敎宗, „Papst“) an oberster Stelle steht. Ngo Van Chieu, der Gründer der Glaubensrichtung war allerdings bisher der einzige Papst. Aufgrund von Restriktionen ist es den Cao Dai Anhängern nicht erlaubt, einen neuen Papst einzusetzen.
Die geschichtliche Entwicklung des Caodaismus
Der Caodaismus als Reaktion auf den Kolonialismus
Der Caodaismus entstand 1925 im Süden Vietnams und inzwischen gehören circa 6 Millionen Menschen weltweit dieser Glaubensrichtung an. In Vietnam stellt die Religion mit circa 2 Millionen Anhängern die drittgrößte Glaubensgemeinschaft im Land. Zu Zeiten der französischen Kolonialherrschaft fragte sich die Bevölkerung, wie man die eigene Identität und Kultur bewahren könnte. Viele Menschen fanden zu der Zeit Trost in der neuen Glaubensrichtung, die Veränderung und Frieden versprach und von der französischen Kolonialmacht schnell offiziell angekannt wurde. Da die Cao Dai einst über eine eigene Verwaltung und eine Privatarmee verfügte und somit wie ein autonomer Staat wirkte barg die Gemeinschaft nicht nur im Glauben Schutz für die Anhänger.
Der Caodaismus unter kommunistischer Herrschaft
Die Kommunisten schränkten für die Anhänger des Caodaismus, wie auch für andere Glaubensrichtungen, die Ausübung der Religionsfreiheit ein. Seit den 1970er Jahren wurden eine Vielzahl von Cao Dai-Tempel beschlagnahmt und viele Priester gingen daraufhin ins Exil. Seit etwa 1995 sind alle wichtigen Ämter innerhalb der Glaubensgemeinschaft mit regierungstreuen Personen besetzt. 2016 wurde ein neues striktes Religionsgesetz verabschiedet. Dieses enthält Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten, die das Tor für behördliche Willkür bewusst öffnen. Weitere Informationen können zum Beispiel diesem Bericht von Amnesty International entnommen werden.